Mittwoch, 6. Juli 2011

Die Toten der Literatur

Kennt ihr das? Ihr habt Bücher verschlungen, tagelang, wochenlang habt ihr im Bett gelegen, die Seiten zerblättert und gebannt auf - nun ja- Wörter gestarrt. Abenteuer der Figuren wurden eure eigenen, Charaktere wurden wie Freunde - oder Feinde. Waren sie so lebendig, so real, dass ihr sie lieben oder hassen lerntet? Die Freude, die Trauer, die Liebe, der Hass, alle Emotionen der Figuren - sie wurden eure eigenen. Und die Bücher ein Teil eures Lebens.
Das erste Buch, das ich verschlungen habe, war "Harry Potter und der Stein der Weisen". Damals war ich sieben Jahre alt, ein Alter, dass mich irgendwie immer verfolgt. Damals ist irgendwie 'ne ganze Menge passiert. Meine Schwester wurde geboren, etc. etc. etc., aber ich schweife ab. Ich hatte gerade den ersten Harry Potter-Film im Kino gesehen und ich war... ja, ich war überwältigt von dieser Welt voller Drachen, Riesen, Zaubertränke und einfach Magie! Meiner Mutter war das natürlich nicht entgangen, und so bekam ich, ich weiß nicht genau ob zum Geburtstag, zu Weihnachten oder einfach so, das erste Buch geschenkt.
Ich hatte mir das lesen bereits im Kindergarten autodidaktisch beigebracht, von daher war es kein Problem für mich, auf einmal diesen Wälzer vor der Nase zu haben, allerdings fiel es mir anfänglich doch etwas schwerer, flüssig diese Sätze, erinnernd an Elefantenrüssel, die sich nach Erdnüssen strecken, zu lesen. Aber mit der Zeit wurde ich geübter und ich las. Ich las wie eine Bekloppte.
Eine Leidenschaft war entbrannt. "Harry Potter und die Kammer des Schreckens" folgte, als ich mein Zeugniss der zweiten Klasse nachhause brachte. Damit begann auch die Tradition meiner Mutter, mir zum Zeugniss, sowohl Halb- als auch Ganzjahr, etwas zu schenken, zumeist eben Bücher. Zack, wieder ein Buch verschlungen. Meine Mutter unterstützte diese Lesewut tatkräftig, denn so erweiterte sich mein Wortschatz um ein vielfaches, ich wurde eine der besten Leserinnen in der Klasse und ich hatte eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, die nichts mit elektrischen Selbstunterhaltungsgeräten wie Fernsehern und Computern zu tun hatte. Außerdem glaube ich, dass sie die Bücher auch einfach selbst sehr gern las.
Ja, ich bin mit Harry Potter erwachsen geworden. Mein bester Freund seit Kindestagen. Später las ich auch andere Bücher, "Herr der Ringe" (erst lange nach dem Komsum der Filme, aber immerhin), "Per Anhalter durch die Galaxis", sämtliche Zamonienromane von Walter Moers, die Millenium-Trilogie von Stieg Larsson, "Das Phantom", die großartige Biografie des Phantoms der Oper von Susann Kay etc. etc. etc. Ich schrieb auch selbst, hauptsächlich Fantasygeschichten, basierend auf eben jenem Herrn der Ringe. Ich zeichnete Figuren nach meinen Vorstellungen, all mein kreatives Schaffen basierte auf Büchern.
Aber je älter ich wurde, desto weniger las ich und auch mit weniger Begeisterung. Ich widmete mich mehr und mehr den Filmen und vorallem den Internet. Grausames Suchtobjekt. Auch heute meine Hauptfreizeitbeschäftigung. Ich schreibe auch nur noch selten Geschichten, meist eher Blogeinträge wie diesen, auch wenn ich es inzwischen wieder aufgegriffen habe, aber ich beschäftige mich nur selten damit.
Heute habe ich aus purer Langeweile einen Test im Internet gemacht mit dem spannenden Titel "Dein Leben in Hogwarts?". Und die zweite Frage deprimierte mich regelrecht: "Nach der Schlacht: Wessen Tod deprimiert dich am meisten?
A: Lupin und Tonks. Ihr armer Sohn muss jetzt ohne sie aufwachsen!
B: Fred Weasley!
C: Colin Creevey! Schließlich wollte er nur für seinen Helden kämpfen!"
Ich war von mir selbst geschockt. Wo ich früher noch jedes Detail gewusst hätte, aus der Pistole geschossen, hatte ich jetzt tatsächlich den Tod von Fred und Colin vergessen. Einfach verdrängt. Und es kam mir vor, als hätte ich vergessen, dass liebe Freunde fortgezogen oder je existiert hatten.
Ich weiß, das klingt sehr merkwürdig und verrückt, aber mir kamen tatsächlich die Tränen, bei dem Gedanken, wer alles tot war. Auch aus anderen Büchern. Ich hatte sie alle einfach vergessen.
Ein schlechtes Gewissen - Romanfiguren gegenüber? Ja, tatsächlich. Aber das ist schließlich wahre Kunst: Tränen bei Lesenden zu erzeugen.

Nymphadora Tonks (*1973 +2. Mai 1998) & Remus Lupin (*10. März 1960 +2. Mai 1998)
gestorben im "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes"
getötet von Bellatrix Lestrange

Fred Weasley (*1. April 1978 +2. Mai 1998)
gestorben in "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes"
getötet von Augustus Rookwood

Colin Creevey (*1981 *2. Mai 1998)
gestorben in "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes"
getötet von Todessern

Alastor "Mad-Eye" Moody (*unbekannt +27. Juli 1997)
gestorben in "Harry Potter und der Halbblutprinz)
getötet von Todessern


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