Mittwoch, 15. Juni 2011

Eine gute Tat

Seid ehrlich, wer von euch kann guten Gewissens von sich behaupten, er sei ein guter Mensch mit einem fetten Batzen Zivilcourage ist, der immer das Richtige tut?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass es keiner wirklich glauben wird. Ich käme auch nie auf die Idee, das zu denken, denn ich bin weiß Gott kein guter Mensch.
Ich bin sogar ein ziemlich schlechter Mensch. Ich sehe Bettler auf der Straße, sie tun mir Leid, ja, aber ich ignoriere sie, gebe ihnen nichts, mit dem Gedanken: "Ich habe selbst zu wenig!". Mit dieser Einstellung gehe ich auch an Spendenorganisationen heran. Ja, ich habe Mitleid für die Menschen in Japan und Haiti und für die aussterbenden Eisbären in der Arktis, aber Geld ausgeben, das ich auch für ein leckeres Menü von Mäcces und ein paar schicke Klamotten nutzen könnte? NIEMALS!
Ich war auch schon ein paar mal die Andere. Nein, ich bin nicht stolz darauf. Aber um ehrlich zu sein: Sonderlich schämen tuh ich mich auch nicht. Denn ich bin mir sicher, dass es der größte Teil der Menschheit genauso handhabt. Wir sind alle Tiere, die vorrangig auf ihr eigenes Wohl bedacht sind, geleitet von ihren niedersten Instinkten. Egoisten.
Dennoch glaube ich ein wenig an Karma und all das. Wiedergeburt. Ich richte mein Leben nicht danach aus, Gott bewahre, und wenn ich eben im nächsten Leben ein Hamster oder so werde, was soll's?
Aber ich denke, dass ich heute ein Paar Minuspunkte wieder wett gemacht habe, denn es begab sich wie folgt:
Ich saß mit Bruno, Jule, Ivan und Eric 2 im Palmgarten am Ufer der Elster, als ich eine Frau bemerkte. Sie kam neben uns ans Ufer, warf erst eine Blume ins Wasser, später ihren Beutel. Das fand ich schon merkwürdig, aber nicht weiter besorgniserregend. Außer mir hat auch keiner unserer Truppe sie wahrgenommen.
Ein wenig später sahen wir sie auf dem Geländer der nahe gelegenen Angerbrücke herumlaufen, vorbeifahrende Radfahrer, Autos und Jogger anbrüllend. Zuerst fanden wir sie komisch und machten die üblichen Scherzchen, aber langsam wurde mir mulmig. Irgendwann beschlossen wir, zu ihr zu gehen. 
Ich weiß nicht wie, aber irgendwie haben wir es geschafft, sie dazu zu bewegen, herunter zu kommen und sich zu beruhigen. Auf die Nachfrage, warum sie denn so aufgebracht sei, antwortete sie, dass sie ihre Tasche mitsamt Perso, Schlüssel, letztem Geld etc. verloren habe. Außerdem läge dort auf der Straße ihr Buch, wegen dem sie alle jagten, wie sie sagte. Ich sammelte die Seiten ein, es war ein Märchen, liebevoll mit der Hand niedergeschrieben und illustriert. Wir fragten, ob sie denn zu irgendwem könne, bis die Tasche wieder auftauchen würde. Sie erzählte uns, sie habe niemanden, keine Freunde, der Vater tot, die Mutter im Koma, die Kinder beim frisch gebackenen Exmann. Sie wäre am Ende, allein, es ginge nicht mehr weiter. Sie war fertig. Totaler Nervenzusammenbruch. Ihre Augenlider flatterten und manchmal wiederum starrte sie ins Leere, hörte nicht einmal unsere Fragen... 
Wir haben gewartet, bis die Polizei kam, die ein ebenfalls anwesender Radfahrer gerufen hatte. Die Polizei hat sie mitgenommen, ich weiß nicht, was jetzt mit ihr passiert. Aber ich bin stolz und froh, zumindest ein bisschen geholfen zu haben.
Nein, ausnahmsweise fühle ich mich nicht wie ein schlechter Mensch. Ich glaube, ich habe eine Menge ausgeglichen. Zur Abwechslung.

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